Die Reise nach Braunschweig by Knigge Adolph Freiherr von

Die Reise nach Braunschweig by Knigge Adolph Freiherr von

Autor:Knigge, Adolph Freiherr von
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


Zehntes Capitel

Etwas von dem jungen Frauenzimmer. Sie entwischt.

Wir haben den Förster, in Gesellschaft des Pastors Ehren Schottenii, mit dem jungen Frauenzimmer eben so eilig aus Peina fortgeschafft, wie jetzt die beyden Herrn, welche ihnen nachreisen, ohne es zu Erläuterungen unter allen diesen Leuten kommen zu lassen. Damit nun unsre Geschichtschreiber-Schulden sich nicht gar zu sehr häufen und wir, wenn endlich alles sich zum Ziele neigt, nicht gar zu viel aus ältern Zeiten nachzuholen haben mögen, was der Leser noch nicht weiß, wollen wir, während diese fünf Personen auf der Reise sind, der Herr Amtmann aber und sein Erbe, im süßen Schlafe, der müden Natur balsamischen Labsale, sich erquicken, eine kleine Skizze von dem kurzen Lebenslaufe der Jungfer Margaretha Dornbusch entwerfen.

Sobald der Förster in Biesterberg das ihm von seinem Bruder anvertrauete kostbare Unterpfand in Besitz genommen hatte, beschloß er, das kleine Mädchen wie seine eigne Tochter zu behandeln. Er selbst hatte mit seiner ehrlichen Hausfrau keine Kinder erzeugt, aber ein ansehnliches Vermögen erheyrathet, so daß er an Margarethens Erziehung, wenn er und sie auch nicht mit den nöthigen pädagogischen Gaben ausgerüstet waren, doch genug verwenden konnten, um das Kind durch Andre zu einem feinen Frauenzimmer bilden zu lassen.

Der Förster war ein biedrer, aber freylich gänzlich uncultivirter Mann. Sein Handwerk verstand er aus dem Grunde, in der politischen, literarischen und galanten Welt hingegen war er ein Fremdling. Außer einigen Andachtsbüchern, in denen er Morgens und Abends seine bestimmte Seitenzahl gewissenhaft las, wie man das an den braunen Flecken unten auf dem Rande, wo der geleckte Finger beym Umwenden seinen Stempel hingedruckt hatte, sehn konnte, sodann außer einer alten Chronic, an welcher die vordersten Blätter fehlten und den Zeitungen, die ihm der Herr Amtmann mittheilte, hatte er sich nie mit Lesen abgegeben, und seit dem Frieden, da er seine jetzige Bedienung antrat, war er des Herumschweifens müde, liebte die Ruhe, kam nur äußerst selten in die benachbarten Städte, und war daher auf alle Weise in einer gewissen Art von Cultur sehr zurückgeblieben. Dagegen hatte er einige andre kleine, unbedeutende Tugenden, die in dieser Welt wenig gelten, und wobey auch in der That nichts herauskommt. So hielt er zum Beyspiel immer strenge und redlich Wort, theilte gern seinen Bissen mit dem Nothleidenden, ohne nur einmal zu ahnden, daß dies etwas anders, als gemeine Christenpflicht wäre und nahm sich jedes Gedrückten und Verlassenen an, wenn er dazu im Stande war, wie wir denn gesehn haben, daß er sich zu seinem großen Schaden, in die bayerischen Händel mischte, als Agnese Bernauer sich im Gedränge befand.

Die kleine Grete wuchs unter der mütterlichen Sorgfalt der Frau Försterinn auf, versprach einst ein hübsches, reizendes Frauenzimmer zu werden, und war der Augapfel ihrer Pflegeeltern; Ehren Schottenius aber machte sich's zum Geschäfte, ihren Geist zu bilden, jedoch ohne die Bestimmung ihres Geschlechts und ihres künftigen Standes – denn zu einer braven Landfrau schien sie ihm einst ausersehn – aus den Augen zu verliehren. Neben dem Unterrichte in den Wahrheiten der christlichen Religion, in der Form des lutherischen Kirchen-Systems, lehrte er sie



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